Wer schrieb Hitlers Reden? Verdammt gute Frage. Wer hat eigentlich den Wahnsinn formuliert?
Ich habe in den letzten 25 Jahren jede Sorte Redenschreiber gesehen. Nixons alte Spindoctors, Reagans Hollywood-Texter, Schmidts norddeutsche Zyniker, Fischers intellektuelle Streetfighter, Guttenbergs Hochglanz-Barocke, sogar Erika Steinbachs Wortkünstler, irgendwo zwischen Pathos und Provinz. Und was sie alle verband? Schweigen. Diese Leute reden nicht. Sie sind Schatten. Tastaturen auf zwei Beinen. Niemand da draußen weiß, wer wirklich für wen schreibt.
Also: Hitler. Der Typ, der keine Redenschreiber brauchte, weil er selbst ein rhetorischer Flammenwerfer war. Trotzdem gab’s Geister im Hintergrund: Dietrich Eckart, ein früh verstrahlter Ideologe, der ihm das Gift mischte. Und Marie-Thekla Weichelt, die Sekretärin, die seine Worte glättete, damit der Dreck druckreif wurde. Aber Autoren? Nein. Er schrieb nicht. Er brüllte.
Mein Vater erzählte: „Der konnte nicht gut reden, aber er zog dich rein, ob du wolltest oder nicht.“ Das war’s. Kein Genie, kein Literat. Nur ein Mann mit einem Sensor für Hass. Er wusste, wo die Emotionen lagen, wie man sie anzündet. Kein Stil, keine Poesie, sondern nur Druck, Lautstärke und der Triumph des Irrationalen.
Goebbels war das andere Monster. Ordentlicher, fanatischer, fast akademisch in seiner Bosheit. Der schrieb selbst. Jeder Satz kalkuliert, jeder Applaus geplant. Kein Platz für Zufall.
Heute?
Heute haben wir eine ganze Industrie dafür. Politiker, die aussehen wie Algorithmus-Prototypen, lassen ihre Sätze von Agenturen schreiben, die nach Kaffee und Burnout riechen. Eine Minute Rede kostet eine Stunde Redenschreiber-Zeit. Jeder Halbsatz juristisch geprüft, jedes Zitat doppelt gefiltert, jedes Lächeln trainiert. Der Ghostwriter ist heute ein Team. Ein ganzes Labor für kontrollierte Authentizität.
Ein Hitler wäre heute hilflos. Kein Manuskript, keine PR-Agentur, kein Teleprompter. Nur er selbst, schwitzend unter Neonlicht, während irgendwer im Publikum filmt. Und dann steht’s online, auf Endlosschleife, mit Autotune und Memes.
Die Welt ist härter geworden für Demagogen. Zumindest war sie das … bis die Maschinen lernten, die Drecksarbeit zu übernehmen.
Exkurs: Die neuen Demagogen
Die heutigen Hetzer brauchen keine Hallen, keine Fackeln, keine Massen. Sie haben Serverfarmen. Ihr Werkzeug heißt „Flood the zone with shit“ – flute die Welt mit Müll, bis keiner mehr weiß, was echt ist. Ein altes Prinzip, jetzt powered by AI.
Sie müssen nicht mehr schreien. Sie tippen. Oder lassen tippen. Tausend Bots, hunderttausend Posts, endlose Varianten derselben Lüge. Jeder Klick ein Tropfen Öl im Feuer der Verwirrung. Wahrheit? Nur ein Datenpunkt unter Milliarden.
Der neue Demagoge steht nicht mehr auf der Bühne. Er sitzt im Feed, im Kommentar, im Meme. Seine Sprache ist algorithmisch, seine Rhetorik virulent. Kein Hitler-Blick, kein Goebbels-Gestus – nur Reiz und Reiz und Reiz. Die Redenschreiber heißen jetzt Modelle, trainiert auf allem, was je gesagt, geschrieben, geschrien wurde – inklusive den alten Reden der Monster von einst.
Wenn man einen heutigen Demagogen fragt: „Wie ist dein Name?“, dann wird der künstliche Drecksgeist in seinem Inneren antworten:
„Mein Name ist Legion, denn wir sind viele.“
Das Mikrofon hat sich geteilt. Jeder ist Sender. Jeder Empfänger. Und die Flut steigt. Doch irgendwo zwischen all dem Lärm sitzt vielleicht wieder jemand wie mein Vater, hört sich den Krach an, und sagt leise:
„Der kann nicht gut reden. Aber er zieht sie trotzdem rein.“
Dann klickt er auf „Spam melden“.