Ich hab keine Ahnung von Esoterik. Ich rede nicht mit Engeln, ich krieg keine Post aus dem Jenseits, und wenn doch, dann hat sie meistens ’ne Rechnung dran. Aber ich weiß, was professionelles Channeling ist. Das echte Zeug, das aus der Steckdose kommt, nicht aus dem Räucherstäbchen.
Ich hab’s gesehen: Politiker, Musiker, Redner (die guten, die richtig guten), wenn sie über ihr Manuskript hinausfliegen, wenn sie plötzlich glühen wie ein Draht unter Strom. Obama, Brandt, Kennedy, King. Diese Typen waren keine Menschen mehr, sie waren Antennen. Das Ich löst sich auf, die Sprache übernimmt, und aus dem Fleisch wird Funk.
Ich war da mittendrin. Redenschreiber. Wortdealer. Parasitäres Medium auf Stundenbasis. Ich hab mich in ihre Köpfe geschlichen, ihre Stimmen inhaliert, ihre Macken studiert, bis ich sie schreiben konnte wie eine verdammte zweite Haut. Kein Zauber, nur Empathie mit zu viel Volt.
Und dann kommt dieser Moment, immer zu spät in der Nacht, wenn der Kaffee längst kalt ist und der Text noch nicht stimmt. Da passiert’s. Du kippst in den Trancezustand, halb besessen, halb beseelt, und plötzlich hörst du ihn: den Rhythmus, die Stimme, den verdammten Puls des Redners. Deine Finger tippen, aber es sind nicht mehr deine Worte. Es ist seine Stimme, sein Herz, sein Pathos … durch dich, durch deinen Schädel, raus aufs Papier.
Das ist Channeling. Kein Engel, keine Glaskugel. Nur Adrenalin, Einfühlung und das leise Zischen eines verbrannten Synapsenkontakts.
Aber Scheiße, das geht nie ganz weg. Ich kann keinen Smalltalk führen, ohne dass die Antennen wieder hochfahren. Ich spüre Leute zu stark. Ich höre Untertöne, Gesten, ganze Seelenregiepläne, bevor sie ihren verdammten Satz zu Ende sprechen. Berufskrankheit. Oder Nebenwirkung vom Dauerfunk mit der menschlichen Frequenz.
Kein Heiliger, kein Medium. Nur ein Mann mit zu vielen Stimmen im Kopf und zu wenig Schlaf. Und wenn ich ehrlich bin – manchmal vermiss ich diesen Rausch.