Mathias Döpfner, der Oberboss des Springer Konzerns, will die Medienwelt retten. Oder zerschießen, je nachdem, aus welchem Fenster du schaust.
Der Mann sitzt oben auf dem Axel-Springer-Turm, über den Dächern von Berlin, und denkt an Individualisierung. Er nennt es Zukunft. Ich nenne es Informationskokain. Döpfner will, dass jede Nachricht so schmeckt, wie du sie magst. Süß, salzig oder ideologisch leicht angefault.
„Die Möglichkeiten zur Individualisierung durch KI sind unfassbar reizvoll“,
sagt er, mit diesem digital getrimmten Glanz in den Augen,
wie ein Prophet, der seinen Jüngern das Paradies auf Algorithmus-Basis verspricht.
Klingt gut, oder? Endlich keine Artikel mehr, die dich aufregen. Keine Schlagzeilen, die dich triggern. Nur noch Nachrichten, die zu deinem Hirn passen wie ein Maßanzug.
Bist du Bayern-Fan? Dann war das 2:2 gegen Dortmund natürlich Pech, Überlegenheit pur, Kobel schuld.
Bist du Dortmund-Fan? Dann war’s ein heroisches Comeback, Moral, Leidenschaft, Testosteron im Quadrat.
Und wenn du Schalke-Fan bist … dann gibt’s für dich die Welt, so wie du sie kennst: traurig, neutral, oder komplett im Arsch.
So wird’s laufen. Du klickst … KI beobachtet. Du scrollst … KI notiert. Du atmest falsch … KI flüstert dir was anderes ins Ohr. Und plötzlich liest du nicht mehr die Zeitung, sondern du liest dich selbst.
Der Algorithmus ist dein Spiegel, dein Beichtstuhl, dein Dealer. Er weiß, was dich aufputscht. Er weiß, wann du wackelst. Und er füttert dich mit genau der Dosis Empörung, Zustimmung und Trug, die dich still, klickfreudig und berechenbar hält.
Döpfner nennt das „digitale Revolution“. Ich nenne es die Hyperpersonalisierung der Wahrheit. Ein Schachzug, der aussieht wie Fortschritt, aber riecht wie verbrannte Aufklärung.
Denn was passiert, wenn jeder seine eigene Version der Realität liest? Wenn dein Nachbar dieselbe Zeitung abonniert, aber völlig andere Texte sieht? Dann gibt es keine Öffentlichkeit mehr, nur noch Privatwahrheiten. Dann ist Demokratie kein Diskurs mehr, sondern ein Echoraum mit Werbung dazwischen.
Und das Schönste: Döpfner verkauft dir das als Service. Er befreit dich von der Zumutung des Widerspruchs. Du musst dich nie mehr ärgern, weil die Zeitung „Blödsinn schreibt“ … denn sie schreibt deinen Blödsinn.
Das ist der feuchte Traum jedes Medienstrategen: Maximale Klicks, minimale Reibung. Ein Imperium aus Zustimmung.
Doch der Preis ist hoch. Filterblasen blähen sich zu Paralleluniversen auf. Politische Gruppen reden aneinander vorbei, bis die Gesellschaft klingt wie ein defekter Chor aus 83 Millionen Einzeltönen. Jeder singt, keiner hört zu.
Und irgendwo in der Mitte steht Döpfner, die Hände tief in den Taschen der Zukunft, und sagt: „Ich glaube an die Chancen der KI.“ Klar tut er das. Denn die Maschine denkt für ihn. Und für uns. Und irgendwann, wenn alles glattläuft, braucht keiner mehr zu denken.
Weil die Wahrheit längst berechnet wurde. Und sie schmeckt verdammt gut. Oder nicht?