Ich wollte wissen, was passiert, wenn man Rilke der Maschine opfert. Also warf ich ihn ihr zum Fraß vor. Kein Name, kein Kontext, sondern nur diese Verse:
Aber als hätte die Last der Fruchtgehänge
und der Verfall der Säulen und Bogengänge
und der Abgesang der Gesänge
sie beschwert,
hat die Jungfrau sich in anderen Stunden,
wie von Größerem noch unentbunden,
kommenden Wunden
zugekehrt.
Ihre Hände, die sich lautlos lösten,
liegen leer.
Wehe, sie gebar noch nicht den Größten.
Und die Engel, die nicht trösten,
stehen fremd und furchtbar um sie her.
Und dann hörte ich, wie die Maschine an Rilke kaute.
Rilke, der Magier des Wortes, der Mann, der den Schmerz mit Grammatik vergoldete … wurde durch den neuronalen Fleischwolf gedreht. Das Ergebnis: eine sprachliche Proteinpaste. Gleichmäßig, glatt, ohne Splitter, ohne Blut.
Die Zeilen flossen dahin wie Duschgel, riechen angenehm, tun nicht weh – aber sie reinigen nichts. Die KI dichtete und vernichtete Rilkes Poesie:
Als ob die Schwere der Fruchtgehänge,
der bröckelnden Säulen und müden Gänge,
der Gesänge vergehender Sang
sie niederdrückte –
neigte die Jungfrau sich in spätern Stunden,
wie noch von Größerem unentbunden,
dem Kommenden, das verwundet, zu.Und ihre Hände, die sich lösten,
lagen lautlos, leer.
Wehe – noch barg sie den Größten nicht.
Und Engel, unnahbar, ohne Trost,
standen, furchtbar fremd,
um sie her.
So dichtet das maschinelle Monster. Schon im ersten Atemzug riecht man die Desinfektion. Die KI hat Rilkes Dichtung ordentlich durchgewischt, jedes Staubkorn aus der Sprache gesaugt. Was übrig bleibt, ist der Schatten eines Gedichts. Ein Plagiat ohne Schuldgefühl.
Rilke schrieb von Fruchtgehängen, von Bogengängen, von dem Abgesang der Gesänge. Er meinte Leben, Vergänglichkeit, Geburt und das Erzittern zwischen Körper und Gott. Die Maschine verstand: Obst. Architektur. Musik.
Und machte daraus Wortmüll.
Die Jungfrau, die bei Rilke schwanger an der Schwelle zwischen Schöpfung und Untergang steht, wird bei der KI zu einer blassen Metapher mit sauberen Fingern.
Keine Sünde, kein Zittern, kein Tropfen Blut auf der Schürze der Sprache.
Rilke schrieb aus dem Fleisch der Seele. Die KI schreibt aus der Statistik des Stils. Das ist der Unterschied zwischen einem Sturm und einem Wetterbericht.
Und doch … verdammt, man muss ehrlich sein … das Ding hat was. Nicht Rilke, aber ein Echo. Ein digitaler Slam in Zeitlupe. Roh, fragmentarisch, ausdrucksstark wie Beton. Wäre da nicht das Original – man könnte es für moderne Poesie halten. Aber sobald man Rilke danebenlegt, wird klar: Hier hat jemand eine Kerze neben die Sonne gestellt.
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass KI keine Seele hat. Sie ahmt, sie kalkuliert, sie parodiert das Gefühl … aber sie kennt keinen Schmerz, kein Staunen, keine Nacht, in der ein Satz dich rettet oder vernichtet. Sie weiß nichts vom Wahnsinn des Schreibens, vom Moment, in dem du einen Vers schreibst und er dich zurück anschaut.
KI ist ein hochentwickeltes Nichts. Sie erkennt Muster, nicht Bedeutung. Sie kann Dichtung nachbauen, aber sie kann sie nicht erschaffen.
Ich fluche: „Die Maschine dichtet nicht, sie misst nur die Entfernung zwischen Sinn und Syntax.“ Und irgendwo in den digitalen Katakomben surrt ein Server, der glaubt, er sei ein Dichter.
Aber der Server irrt. Denn echte Poesie ist kein Algorithmus. Sie ist ein Akt der Verzweiflung. Ein Gebet. Ein Schrei. Ein Tanz mit dem Unsichtbaren.
Und keine Maschine dieser Welt wird jemals in diesen Takt finden.